Seit Anfang Oktober sieht man wieder viele gut gelaunte Menschen in Oberschleißheim. Sie kommen aus allen Himmelsrichtungen, die meisten mit dem Fahrrad, einige sogar aus München und sie haben alle das gleiche Ziel. Eine unscheinbare Holzhütte auf dem Gelände am Rande des Schloßparks. Jeden Freitag und Samstag werden hier die Äpfel von den Streuobstwiesen aus dem Park verkauft.
Viele der angebotenen Sorten wird man im Supermarkt vergeblich suchen. Es sind Apfelsorten aus einer Zeit, die noch andere Anforderungen an einen Apfel gestellt hat. Die Äpfel aus Schleißheim sehen alles andere als perfekt aus. Sie haben Flecken, sie sind unterschiedlich groß und sie werden schneller braun, wenn man sie anschneidet. Aber sie haben einen großen Vorteil: Sie schmecken wunderbar und sie sind bekömmlich. Sorten wie die Winter Goldparmäne können sogar Menschen essen, die eigentlich gegen Äpfel allergisch sind. 2021 war ein schwieriges Jahr für Obstbäume. Aufgrund der lange anhaltenden Kälte im Frühjahr hält sich der Ertrag in Grenzen. Die Vielfalt der Sorten mit ihren verschiedenen Reifezeitpunkten sorgt jedoch immer dafür, daß sich der Schaden in Grenzen hält. Ausserdem sind die alten Sorten bestens an unser Klima gewöhnt. Einige Apfelbäume tragen sogar immer noch Früchte und werden erst im November geerntet. Eine dieser Sorten ist der Ontario, der ursprünglich aus Kanada stammt und gut mit Frost zurecht kommt.
Historischer Obstmuttergarten
Während in den letzten Jahrzehnten der Bestand an Streuobstwiesen in Bayern dramatisch zurückgegangen ist, hat man in Schleißheim schon lange erkannt, über welchen Schatz man hier verfügt. Alexander Bauer, der Betriebsleiter des Hofgartens, ist besonders stolz auf den historischen Obstmuttergarten. Hier befinden sich über 200 verschiedene Apfelbaumsorten. Bis auf 3 Bäume konnten allen Sorten bestimmt werden. Darunter befinden sich auch einige Raritäten wie die Englische Spital-Renette. Dabei handelt es sich um einen Apfelbaum, dessen Vorkommen bisher nur noch in der Wachau und in seinem Ursprungsland England bekannt war.
Seit diesem Jahr wird Alexander Bauer bei der Pflege der Obstbäume von vierbeinigen Mitarbeitern unterstützt. Eine kleine Herde Ouessantschafe weidet in einem abgegrenzten Bereich des Obstmuttergarten und kümmert sich nicht ganz uneigenützig um die Stockaustriebe an den Bäumen, die sonst manuell entfernt werden müssten. Das Ouessantschaf stammt aus der Bretagne und ist die kleinste Schafrasse in Europa. Sie wurden bereits während der Barockzeit in französischen Schloßgärten als „Rasenmäher“ und zur Belustigung der Hofgesellschaft gehalten.
In der Schloßbrennerei von Schleißheim
Die Schleißheimer Schlossanlagen haben auch eine lange kulinarische Tradition. Herzog Wilhelm V., der das Gebiet im Münchner Norden mit seinen verstreuten Höfen im 16. Jahrhundert für die fürstliche Nutzung erschloss, hat hier einen herrschaftlichen Musterbetrieb für Landwirtschaft und Viehhaltung erschaffen. In der damaligen Schwaige Schleißheim befand sich im 16 Jahrhundert bereits schon eine Käserei, eine Brauerei und eine Brennerei das Streuobst. 2008 wurde diese Tradition wiederbelebt und seitdem werden in Schleißheim wieder feine Edelbrände hergestellt.
Das Schöne am Streuobst ist ja, daß es so vielseitig verwendet werden kann. Die schönsten Äpfel werden Tafelobst verkauft oder eingelagert, aus den aussortierten Früchten werden zu Spirituosen gebrannt. Andere Früchte wie Zwetschgen, Kirschen oder Quitten können auch zu Gelees und Marmeladen verarbeitet werden.
Jetzt im Oktober werden in Schleissheim die meisten Bäume geerntet und gleich danach wird das Obst manuell sortiert. Die zum Brennen vorgesehenen Äpfel, Birnen und Quitten werden gewaschen, zerkleinert und dann zusammen mit Hefe in Maischefässer gefüllt. Nach mehreren Wochen ist der Fruchtzucker in Alkohol vergoren. Im Dezember wird dann mit dem Brennen begonnen. Die so gewonnenen Destillate werden dann weiterverabeitet und können als »Blauer Kurfürst«, »Renatuswasser«, oder »Eremitentrost« im Museumsshop erworben werden.
Gerade im Herbst besonders schön: Die Schloßanlage Schleißheim
Öffnungszeiten Obstverkauf ( bis Mitte Dezember, solange der Vorrat reicht! )
Freitag 7 – 12 Uhr
Samstag 9 – 12:30 Uhr
Zufahrt über Freisinger Straße, 85764 Oberschleißheim
Öffnungszeiten Hofgarten Schleißheim & Obstmuttergarten
Januar, Februar, November, Dezember: 8 – 17 Uhr
März und Oktober: 8 – 18 Uhr
April und September: 8 – 19 Uhr
Mai bis August: 8 – 20 Uhr
Der historische Obstmuttergarten ist beschränkt öffentlich zugänglich
( Zugang zur Kunst- und Lustgärtnerei vom Park her )
Montag bis Donnerstag: 8-16:15 Uhr, Freitag: 8 – 12:30 Uhr
Weitere Infos: https://www.schloesser-schleissheim.de
Wir bedanken uns herzlich bei Alexander Bauer von der Bayerischen Schlösserverwaltung für die Führung und sein Engagement für alte Apfelsorten und Streuobst in Schleissheim!