Wenn man an Streetart in Deutschland denkt, dann denkt man meist an Berlin. Man vermutet dort die Wiege der deutschen Streetart-Bewegung. Das ist, wie ich dieser Tage gelernt habe, falsch. Die Anfänge liegen in der bayerischen Hauptstadt.
In München gab es in den 80er Jahren den ersten vollständig bemalten S-Bahn Zug ( Geltendorf ) in Deutschland, einen sogenannten Wholetrain, damals ein grosses Ärgernis in der Bevölkerung, aber eine Sensation in der Szene. Einer der daran beteiligten Künstler war Loomit. Inzwischen sprayt er nicht mehr illegal, sondern organisiert Gemeinschaftsaktionen auf legalen Flächen. Unter seiner Leitung haben Künstler aus der ganzen Welt zum Beispiel die Unterführung unterhalb des Friedensengels gestaltet.
Genau dort treffen wir uns mit Martin Arz, dem Autor der Münchner Stadtviertelführer und ein Kenner der Münchner Streetart-Szene. Den Stadteilführer zur Isarvorstadt haben wir bereits hier im Blog vorgestellt. Bei seinen Stadtführungen, die er Safaris nennt, gibt er sein umfangreiches Wissen nicht mittels Buch, sondern persönlich weiter. Von ihm erfahren wir viel über die Geschichte der Streetart, die Begrifflichkeiten und die Künstler.
Das ist wirklich sehr spannend, denn obwohl wir ein echtes Interesse an dieser Kunstform haben, mussten wir uns eingestehen, wie wenig wir darüber wussten. Man fährt zwar täglich daran vorbei, aber im Grunde weiss man nur wenig darüber. Das liegt vielleicht daran, dass es erst in den letzten Jahren legal geworden ist und extra Flächen zum Sprayen ausgewiesen wurden. Zu den Münchner Grössen der Szene gehören neben dem bereits erwähnten Loomit der Designer und Kalligraf Patrick Hartl und WON ABC.
Zur Streetart gehören nicht nur Graffitis, sondern auch Stencils, Sticker, Plakate und auch Installationen im öffentlichen Raum. Da sie für jedermann Tag und Nacht zugänglich sind, ist Streetart eine vergängliche Kunst. Theoretisch können sie jeder jederzeit übermalt oder einfach zerstört werden. So weiss man nie, ob das Kunstwerk am nächsten Tag überhaupt noch da ist. Die Vergänglichkeit macht zwar den Reiz aus, doch auf der anderen Seite ist es schade, dass sie zum Teil nicht länger Bestand haben. Gekennzeichnet werden die Werke mit Kürzel, mit denen nur Insider was anfangen können. Unsere Führung ist durchaus mit einer (Freilicht-)Museumsführung zu vergleichen, denn zu jeden Bild kann Martin Arz etwas sagen.
Unsere gemeinsame Tour führt mit dem Rad an der Isar entlang bis zur Brudermühlbrücke und endet schliesslich am Viehhof. Gerade die Unterführungen sind interessant für eine Gestaltung, das hat die Stadt erkannt. Laut Münchner Wochenblatt sollen für 2016 die Fördermittel für Streetart und Graffiti von bislang 80.000 auf rund 180.000 Euro erhöht werden und somit mehr als zu verdoppelt.
Meine Frage, ob man irgendwelche internationale Strömungen feststellen kann, verneinte Martin Arz, aber in München sei auf jeden Fall der Lokalbezug sehr stark. Bier, Brezn und Co. kommen immer wieder in der Motivwahl vor. Mir gefällt diesbezüglich am besten das surfende Münchner Kindel auf der Wand des Biergartens an der Muffathalle. Es ist Teil eines größeren Werkes, das sicher schon länger als ein Jahr dort ist und mittlerweile stellenweise übermalt wurde.
Deshalb dokumentiert Martin Arz die Münchner Wände seit einigen Jahren. Daraus ist das Buch „Streetart in München“ entstanden. Im Herbst ist nun ein weiteres geplant. Es wird „Munich Walls“ heissen. Auf dem Titelbild ist ein Murial zu sehen, das letztes Jahr im Rahmen des Urban Art Festival auf dem Viehhofgelände entstanden ist.
Die nächsten Termine für die Streetart Safari gibt es regelmässig online auf der Seite Muenchen Safari
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