Eigentlich hatte der Gasteig Geschäftsführer Max Wagner das Büro von Florian Bieberbach fast schon verlassen, als er das Thema Raumsuche für das Interimsquartier noch ansprach. Ein glücklicher Zufall nahm zwischen Tür und Angel seinen Anfang, denn der Stadtwerke-Chef hatte wirklich eine Halle samt Grundstück, die er dem Gasteig anbieten konnte. Mittlerweile sind über zwei Jahre vergangen und in wenigen Wochen wird das besagte Gelände unter dem Namen Gasteig HP8 seinen Betrieb als Interimsquartier aufnehmen.
Der Münchner Gasteig ist mit 90.000 qm Fläche das größtes Kulturzentrum in Europa. Das imposante Bauwerk auf der gleichnamigen Anhöhe ist seit Mitte der 1980er Jahre die Heimat der Münchner Philharmoniker, der Münchner Volkshochschule, der Münchner Stadtbibliothek und der Hochschule für Musik und Theater. Durchschnittlich 2000 Münchner besuchen dort täglich die Veranstaltungen. Seit 2017 steht fest, daß der Gasteig eine Generalsanierung erhalten soll und Anfang 2022 wird das gesamte Gebäude voraussichtlich für vier Jahre komplett geschlossen. Dadurch wurde eine Ausweichlösung für den Gasteig zwingend notwendig.
Mit der Planung für die Interimsbauten sowie für den Umbau der Halle E wurde das international tätige Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner aus Hamburg beauftragt. Eine gute Wahl, die sich vor allen in der Ausführungsphase ausbezahlt hat. Denn die war alles andere als einfach. Durch Corona sind viele Baustoffe weltweit knapp geworden oder sehr stark im Preis gestiegen. Während bei anderen Großbaustellen oft die Termin- und Kostenplanungen wie ein Kartenhaus zusammenfallen, wird der Gasteig HP8 pünktlich fertig werden. In dieser schwierigen Zeit grenzt das fast schon an ein Wunder.
Ende Juli 2021 durften wir bei einem Baustellenbesuch einen ersten Blick in das Interimsquartier werfen und waren mehr als beeindruckt. Die denkmalgeschütze Halle E wird behutsam saniert und zu einem echten Schmuckstück der Münchner Kulturlandschaft werden. Kaum zu glauben, daß die Halle so lange nur als Lagerfläche der Stadtwerke diente. Bereits 1920 wurde sie als Trafolagerhalle mit Gleisanschluß an die Isartalbahn errichtet.
Die lichtdurchflutete Halle mit der schönen Glasdecke ist wie gemacht für ein multifunktionales Forum. Folgerichtig dient das Gebäude auch als Zugang zur angrenzenden Isarphilharmonie. Aber auch die Stadtbibliothek, ein Lesecafe, sowie ein kleiner Saal für Filmführungen werden hier den Betrieb aufnehmen. Die ursprüngliche Ausstattung inklusive einem riesigen Lastenkran wird soweit wie möglich erhalten bleiben. Das Gasteig Team hat viel vor mit dieser in München einzigartigen Halle und wir freuen uns sehr darauf, wenn sich sie sich ab Oktober mit Leben füllen wird.
Nicht weniger gespannt darf man auf die Isarpilharmonie sein. Meine Erwartung an einem „Interimsbau“ war wesentlich niedriger angesiedelt. Doch das Gebäude fühlt sich überhaupt nicht nach einem Provisorium an. Die Aussenhülle ist sehr sachlich und pragmatisch gehalten, deshalb ist man umso mehr überrascht wenn man den Konzertsaal betritt. Die komplett schwarzen Wände sind mit sägerauen Holzplatten verkleidet. Der Saal ist minimalistisch gestaltet und durch seine leicht konische Form sehr stark auf die Bühne fokussiert. Die halbkreisförmigen Podeste für das Orchester können hydraulisch einzeln abgesenkt werden und erlauben dadurch ganz verschiedenen Konstellationen.
Für die Akustikplanung wurde Yasuhisa Toyota und sein Büro Nagata Acoustics verpflichtet, der auch die Akustik für die Elbphilharmonie oder der Walt Disney Concert Hall in Los Angeles geplant hat. Zusammen mit den Münchner Philharmoniker und den ausführenden Architekten hat sich das Ziel gesetzt, eine zukunftsweisende Konzertstätte mit exzellenter Akustik zu erschaffen.
»Die Musik wird auf der Bühne erschaffen, wir sind nur dazu da, sie zu transportieren. Das ist unser Ideal: Was auf der Bühne geschieht, unverfälscht an das Publikum zu übertragen.«
Yasuhisa Toyota
Die Isarphilharmonie verfügt über bis 1900 Sitzplätze und damit rund ein Viertel weniger als der Gasteig. Eine große Herausforderung war auch die Zuweisung der Sitzplätze für die Abonnenten. Die Philharmoniker haben einen sehr hohen Anteil an Abos bei ihren Konzerten und für jeden der Stammbesucher mußte ein neuer Platz gefunden werden.
GAiA und Deli & News
Für das gastronomische Angebot im Gasteig HP8 sorgt Florian August, der unter anderem bereits das Restaurant Mona betreibt. Das neue Restaurant wird GAiA heißen und soll Anfang 2022 eröffnen. In der Halle E wird die Cafe Bar »Deli & News« ab Herbst 2021 für die Besucher zur Verfügung stehen.
Der Baustellenbesuch auf dem HP8 Gelände hat Lust gemacht, auf all das was uns dort ab Oktober erwartet. Mit dem Gasteig Interimsquartier, dem neuen Volkstheater und dem Stadtteilzentrum Luise hat sich Kulturlandschaft in München nach Südosten erweitert. Die Bürger in Sendling und im Schlachthofviertel dürfen sich auf viele spannende Veranstaltungen freuen. Ein großes Kompliment an alle Beteiligten, die dieses „Wunder“ mit viel Leidenschaft und Tatendrang möglich gemacht haben!