Die Ausstellung „Königsklasse“ ist eine gute Gelegenheit die Insel Herrenchiemsee von einer ganz anderen Seite zu entdecken, egal ob bei Regen so wie wir oder bei Sonnenschein. Auch wer die Schauräume des Schlosses vorzieht, sollte auf jeden Fall trotzdem vorbeischauen, denn die Räume sind normalerweise nicht zugänglich.
Fast jeder Münchner war schon mal im Schloß Herrenchiemsee. Die Herreninsel im Chiemsee mit dem Königsschloss gehört zu den klassischen Ausflugszielen der Münchner. Besonders beliebt ist der Besuch von Herrenchiemsee auch bei den Touristen, die gerne der Baulust des bayerischen König Ludwig II. nachspüren wollen. Bereits kurz nach dem tragischen Tod ( oder war es doch Mord? ) des bayerischen Monarchen, wurde das „bayrische Versailles“ für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Ähnlichkeit ist kein Zufalla, denn der von Ludwig dem II. beauftragte Architekt war angehalten, das barocke Schloss zu studieren und in kleinerer Form auf der Insel zu errichten.
Allerdings wurde Herrenchiemsee erst nach dem Tod von Ludwig II. fertiggestellt und weite Teile des Schlosses befinden sich im Rohbau. Diese Seite kennen die wenigsten, denn sie wird bei den normalen Führungen nicht gezeigt. Dabei sind sie historisch beinahe ebenso interessant wie der fertig gestellte Spiegelsaal oder die raffinierte Technik innerhalb des Schlosses. Diese ungenutzten Räume hat vor einiger Zeit die Pinakothek der Moderne in München für sich entdeckt. Da diese ja bisher ungenutzt waren, sind die Pinakotheken an die bayerische Schlösserverwaltung herangetreten und haben gefragt, ob sie dort Teile ihrer Sammlung für Moderne Kunst ausstellen dürfen.
Während der Sommermonate werden nun seit einigen Jahren unter dem Titel Königsklasse einige Werke von zum Teil zeitgenössischen Künstlern gezeigt. Die Austellung ist ein spannender Kontrast zu der üppigen Pracht des restlichen Schlosses und findet dieses Jahr bereits zum vierten Mal statt. Große Fensterflächen und hohe Deckenhöhen sind ideale Bedingungen für einen Ausstellungsraum. Als zusätzlicher Faktor kommt hinzu, dass die Räume unverputzt sind und damit eine ganz eigene Stimmung in die Ausstellung tragen.
Insgesamt werden elf Räume mit zwölf Künstler bespielt. Der süddeutsche Künstler Wolfgang Laib eröffent die Ausstellung mit seinem Kunstwerk „Ohne Anfang, ohne Ende“, das primär aus Bienenwachs besteht. Es handelt sich dabei auch um eine Neuerwerbung der Pinakotheken und wurde vor Ort erst geschaffen. Durch seine vier Meter hohen Wachsplatten überrascht der Künstler die Besucher auch olfaktorisch. Erwartet man doch beim Betreten eines Museums primär ein visuelles Erlebnis. Mit seinem Werk möchte der Künstler an den Turmbau zu Babel erinnern, obwohl ich durch seine Form und durch die Ziegel an den Wänden stark an einen mittelalterlichen Hausgiebel erinnert wurde.
In den weiteren Räumen folgen Arnulf Rainer, Jean-Michel Basquiat & Louis Soutter, Günther Förg, Dan Flavin, On Kawara, John Chamberlain und Andy Warhol mit ihren Werken. Zur Ausstellung ist ein Faltblatt erhätlich, das zu den einzelnen Arbeiten Informationen liefert. Aber am besten schaut Ihr die Kunst erst in Ruhe an, bevor Ihr Euch weiter informiert. Dadurch eröffnen sich unter Umständen ganz neue Blickwinkel. Wer Fragen zu den einzelnen Werken hat, kann sich während der Sommermonate auch an einen Kunstvermittler wenden, die vor Ort Fragen beantworten. Wir waren mit der kuratorischen Assistentin Judith Csiki in der Ausstellung unterwegs.
Was mir sehr gefallen hat an der Königsklasse, ist daß auch unbekanntere Werke prominenter Künstler wie Andy Warhol gezeigt werden. Eines dieser Werke ist „Still Life“ ( Hammer und Sichel ) aus der Sammlung Brandhorst, das sich thematisch mit dem Kommunismus auseinandersetzt. Aufgrund der Darstellungsweise und Farbgebung wird es jedoch nicht gleich mit der politischen Bewegung in Verbindung gebracht. Ebenfalls ein amerikanischer Künstler ist John Chamberlain. Wie Andy Warhol beschäftigt er sich mit Konsumgegenständen nur in Form von Skulpturen. Autoteile vom Schrottplatz erhebt er zu Kunstgegenständen und gibt ihnen einen zweiten Verwendungszweck.
Die Werke des Lichtkünstlers Dan Flavian füllen gleich zwei Räume: Saal 5 und Saal 10. Im ersten Raum sind seine Arbeiten aus Neonröhren an der Wand platziert, im Saal 10 schafft er durch seine sechszehn Meter lange Installation eine Barriere zwischen dem Ausstellungsraum und den Besucher. Neben den räumlichen Einschränkungen des Betrachters, gibt es noch weitere Effekte auf seine Wahrnehmung. So erscheint durch das grüngefärbte Licht der Installation zum Beispiel das eigene Smartphonedispay rosa.
Bei manchen Kunstwerken der Ausstellung fällt es leichter sie zu lesen, als bei anderen. Jean-Michel Basquiat ist so ein Fall. Er entstammte der amerikanischen Graffitiszene und hat seine Werke dann auf Leinwand gebracht. Er ließ sich von anderen Malern inspirieren und hat Bezüge zum Beispiel zu Picasso auch darin verarbeitet ( Dos Cabezas ). Bei den Arbeiten Günther Förgs ist der Betrachter freier in seiner Deutung. Sieht der eine in den Strichen Häuser, können sie für den anderen auch Gras oder Körbe sein. Es hängt von dem Erfahrungsschatz des Betrachters ab. Weil hier nicht so viel Vorbildung nötig ist, ist seine Kunst für mich demokratischer. Der Künstler wollte mit seiner siebenteiligen Serie gegen systemische Ordnungen vorgehen.
Sehr spannend sind auch die zwei asiatischen Künstler: On Kawara und Kazuo Shiraga. Mit seiner Today Serie setzt sich On Kawara mit dem Thema Zeit auseinander, indem er täglich das Datum des jeweiligen Tag in einem Bild festhält. Diesen fast schablonenhaften Kunstwerken stehen die „chaotischen“ Bilder Kazuo Shiragas entgegen. Da er seinen eigenen Körper als Pinsel benutzt, sind sie eher zufällig, aber nicht weniger beeindruckend. Farbe und den Wischeffekten lassen an ein Blutbad denken, vielleicht eine Verabreitung der Kriegserfahrung Kazuo Shiragas.
Die Ausstellung „Königsklasse“ ist eine gute Gelegenheit die Insel Herrenchiemsee von einer ganz anderen Seite zu entdecken, egal ob wie bei unserem Besuch bei Regen oder bei Sonnenschein. Tipp für alle, die noch nie im Schloss waren: Mit dem Ticket für das Schloss könnt beides zu einem Preis machen, die Ausstellung „Königsklasse“ ist nämlich darin mit inbegriffen.
Ob dem Kini die neue Nutzung seiner Räume gefallen würde? Wir sind uns sicher.
Königsklasse IV im Schloß Herrenchiemsee
‐19.05.-03.10.2018
täglich 9:00 bis 18:00 Uhr