Ziel ist es sich mit dem Thema Wohnraumnot auseinanderzusetzen, indem man an ungewöhnlichen Orten übernachtet. Das ist nicht besonders schön, wenig bequem und oft extrem laut. Trotzdem sind die Schlafplätze sehr begehrt, ähnlich wie gute Wohnungen in München.

Ich spreche von den Shabby Shabby Apartments, einer Aktion der Münchner Kammerspiele, die dieses Wochenende zu Ende geht. Auch wir wollten uns auf das Abenteuer einlassen und haben uns im Internet eines der von Künstlern gestalteten „Apartments“ ausgeguckt, welches natürlich schon für den gesamten Zeitraum (vom 12. September bis 13. Oktober) ausgebucht war. Ade Brunnen und auch mit dem Schiff wurde es nix. Wir mussten uns was anderes suchen, aber auch das Streugutsilo war auch schon so gut wie ausgebucht, so fiel unsere Wahl schließlich auf das Bindegewebe am Alpenplatz. Vielleicht gar keine so schlechte Alternative, denn die Nacht dort versprach zumindest nicht so laut zu werden wie im Brunnen direkt am Isartor. Nur das Netz, auf dem das Bett sein soll, stimmte mich doch ein wenig bedenklich.

Als wir dann knappe drei Wochen später unseren Schlüssel an der Kasse der Kammerspiele abholen, regnet es und es ist kühl. Alles andere als verlockend für eine „Outdoor“ Übernachtung. In Sorge, daß die Decken vor Ort könnten nicht reichen, packe ich zuhause noch einen extra Schlafsack ein und die Zähne putze ich natürlich auch vorher, denn in dem Shabby Shabby Apartments gibt es kein Bad, nur ein Dixieklo. Auf dem Weg mit den Rad nach Giesing kommt mir das Chaos um die Bombe im Deutschen Museum am selben Tag wieder in den Sinn. Gut, dass wir dort nicht übernachten. Es ist schon dämmrig, als wir schliesslich am Alpenplatz ankommen und ich bekomme beim Anblick so meine Zweifel. Klein sieht unsere „Pyramide“ (genaugenommen ist es ein Tetraeder) aus. Ich bereue es, dass ich nicht gefragt habe, ob das auch was für grosse Menschen ist. Aber das wäre wohl nicht im Sinne der Veranstalter gewesen, wo doch Ungemütlichkeit Programm sein soll. Meine Sorgen, ob wir überhaupt durch die kleine Luke klettern können, stellen sich schliesslich als unbegründet heraus. Oben angekommen, hat man das Gefühl, man befindet sich in einer riesigen Hängematte. Mit all den Vor- und Nachteilen. Denn an den Rändern sieht man durch die Maschen nach unten, was natürlich nicht verkehrt ist, aber ablegen kann man an den Stellen nichts, zumindstens keine kleinen Gegenstände. Diese Löcher beunruhigen mich anscheinend so, dass sie mich später noch im Traum bedrohen. Ich frage mich, ob hier auch Wiesnbesucher übernachtet haben und wie sie das wohl mit der Leiter gemacht haben. Mit der Zeit richten wir uns ein und obwohl Gerhard fast kein Auge zu tut, schlafe ich zu meiner Verwunderung gar nicht schlecht. Die vier bis fünf Mal Wachwerden durch irgendwelche Geräusche mal abgezogen. Das Dach aus durchsichtiger Wellplatten hält dem Regen stand, der unablässig daran klopft.

Das Konzert der Blechfässer, die aussen um das Appartement aufgebaut sind, fällt kleiner aus, als ich gedacht habe. Schade eigentlich, hab mich schon irgendwie darauf gefreut. Irgendwo da draussen soll auch ein Wachmann auf uns aufpassen, denn gleich zu Beginn des Projekts ist ein Apartment dem Vandalismus zum Opfer gefallen. Daraufhin hat man angefangen, alle Objekte zu bewachen. Ich hoffe sehr, der Wachmann muss nicht im Regen stehen und kann seinen Dienst auch in einem warmen Auto tun. Schon komisch der Gedanke. Die Leute, die auf der Strasse leben, werden auch nicht beschützt.

Um sechs Uhr morgens bin ich wach. Es dämmert und regnet immer noch. Ich schau durch die Wellplatten nach draussen. Alles verschwimmt. Die Strassenkehrer nehmen ihren Dienst auf und fahren gefühlt zehn Mal um den Platz. München ist eine saubere Stadt, denke ich, lege mich wieder hin und horche den anderen Geräuschen um mich herum zu. Strassenbahn, Lieferautos, Schulkinder, durch die Nässe alles in doppelter Lautstärke.

Um acht Uhr haben wir genug gehört und packen zusammen. Mit dabei die Kurbeltaschenlampe, die wir am Abend zuvor in den Kammerspielen geschenkt bekommen haben und die wir kein einziges Mal verwendet haben. Ich bin stolz nichts aus unserem Nest ins Freie katapultiert zu haben. Mit einem kleinen Zwischenstopp in Haidhausen – wo wir den Schlafsack abliefern, der übrigens gar nicht nötig gewesen wäre – fahren wir zum Frühstücken in die Kammerspiele in die Maximilianstrasse.

Dort geben wir die Schlüssel zurück und treffen, wie in einem richtigen Hotel, andere Übernachtungsgäste. Junge Leute, ältere Leute, der Austausch ist rege in der Cafeteria im Blauen Haus. Einige kannten sich wohl schon vom Abend davor, wo sie sich gegenseitig besucht haben. Schade, dass jetzt die Shabby Shabby Apartments wieder aus dem Stadtbild verschwinden. Sie haben für eine gewisse Irritation gesorgt und wir hätten gerne noch das ein oder andere weitere ausprobiert.
Shabby Shabby Apartments von Raumlabor Berlin
Ein Projekt der Münchner Kammerspiele
muenchner-kammerspiele.de/shabbyshabby-apartments