Foto: Sandra Then / Residenztheater
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Premiere am Residenztheater München

Gschichtn vom Brandner Kasper

Brandner Kaspar neu gedacht: Kroetz & Stölzl bringen den Klassiker als tiefgründiges Kammerspiel mit Günther Maria Halmer zurück ins Residenztheater

„No Risk, no Fun“ – das dürfte sich die Intendanz des Residenztheaters gedacht haben, als der Brandner Kaspar erneut auf den Spielplan gesetzt wurde. Die legendäre Inszenierung von Kurt Wilhelm, Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben, stand über 1000 Mal auf dem Programm des Bayerischen Staatsschauspiels. Nach der Absetzung im Jahr 2001 feierte das Stück 2005 ein erfolgreiches Comeback am Münchner Volkstheater – und entwickelte sich dort erneut zum Publikumsrenner. Inzwischen wird es seit über 20 Jahren ununterbrochen gespielt. Die Latte liegt also verdammt hoch, wenn man sich an dieses Kapitel bayerischer Theatergeschichte heranwagt.

Für die neue Inszenierung hat das Residenztheater zwei große Namen zurückgeholt: Franz-Xaver Krötz hat die Vorlage von Franz von Kobell adaptiert und die Hauptrolle wurde mit Günther-Maria Halmer besetzt, der bereits während seiner Ausbildung beim Bayerischen Staatsschauspiel beschäftigt war. Für die Regie konnte man den vielseitigen Philipp Stölzl gewinnen, der mit seinen Arbeiten sowohl am Resi als auch an der Bayerischen Staatsoper Erfolge feiern konnte.

Gschichtn vom Brandner Kaspar – Foto: Sandra Then / Residenztheater

Das gelungene Bühnbild besteht aus einem riesigen Guckkasten – eine Art überdimensionaler Bauernschrank, der dem Zuschauer vielfältige Einblicke gewährt. Zum einen in die bescheidene Wohnstube des Brandner Kaspar, später ins himmlische Paradies. Vor allem aber ist der kompakte Raum hinter dem Portal der ideale Rahmen für die Begegnungen der Titelfigur mit dem Boanlkramer. Krötz fokussiert das Stück sehr stark auf die Dialoge der Hauptrollen und auf
und verzichtet auf das bajuwarische Spektakel samt Staffage, von dem andere Inszenierungen leben.

„Ich hab mit den Bayern ein inniges Liebes-Hass-Verhältnis. ich mag sie, aber ich versteh sie nicht. Ich möchte kein normaler Bayer sein, ich möchte ein unnormaler Bayer sein. Und der Brander ist ein unnormaler Bayer! Gottseidank.“ Franz-Xaver Krötz

Gschichtn vom Brandner Kaspar – Foto: Sandra Then / Residenztheater

Die Theaterstücke von Franz Xaver Kroetz standen lange Zeit für politische Kunst. In einem Interview hat einmal gesagt: „Die Leute wollen, dass die Kunst, für die sie bezahlen auch was mit ihnen zu tun hat.“ Der neue Brandner Kaspar ist kein politisches Stück, aber er hat viel mit den Menschen zu tun, die da im Publikum sitzen. Es geht ums Älterwerden und ums Altsein. Mein Sitznachbar im Theater besitzt trotz seines fortgeschrittenen Alters ein topaktuelles Smartphone, scheitert aber daran, das Gerät beim Beginn der Vorstellung auszuschalten oder in den Flugmodus zu versetzen. Auf der Bühne dagegen scheitert der Boandlkramer beim Versuch den Brandner Kaspar im 75. Lebensjahr ins Paradies mitzunehmen, so wie es in seinem himmlischen Journal geschrieben steht. Dieses Scheitern macht ihn sympathisch und nahbar. Florian von Manteuffel spielt den Boandlkramer grandios, verzichtet weitgehend auf Slapstick und überzeugt mit ausdrucksstarken Gesten. Die Darstellung des Brandner Kaspars von Günther Maria Halmer hat mich ebenfalls überzeugt. Verschmitzt, schelmisch, meistens leise aber auch aufbrausend in den entscheidenden Momenten – „A Riesensach!“ würde wahrscheinlich der Tscharlie Häusler sagen.

Stölzl zieht dem Brandner Kaspar die Lederhosn aus

Das Stück ist ganz eindeutig in Bayern verortet, aber es findet die richtige Balance aus bayerischer Heimatliebe und zeitgenössischer Perspektive. Eine wichtige Rolle spielen dabei die stimmungsvollen Musikdarbietungen und die liebevoll erstellten Hintergründe und Illustrationen, die an naive Bauernmalerei erinnern. Bei den Kostümen wird gekonnt die Brücke zur Gegenwart geschlagen. Der Brandner Kaspar erklimmt in Funktionskleidung den Bergipfel, nur die Musikantinnen tragen dezente Trachtenkleidung.

Der Theaterklassiker von Franz von Kobell ist im 21. Jahrhundert angekommen und wird auch in seiner neuesten Interpretation weiterhin viele Besucher ins Theater locken. Die Inszenierung am Residenztheater überzeugt durch ihre Stimmigkeit und ist rundum gelungen.

Gschichtn vom Brandner Kaspar

Volksstück in 4 Akten von Franz Xaver Kroetz
frei nach Motiven von Franz von Kobell

Inszenierung und Bühne: Philipp Stölzl
Mitarbeit Bühne: Franziska Harm
Kostüme: Kathi Maurer
Komposition und musikalische Leitung: Michael Gumpinger
Video: Simon Wimmer
Licht: Gerrit Jurda
Dramaturgie: Michael Billenkamp

Die nächsten Aufführungen im Residenztheater:
19. Juni 2025 / 20. Juni 2025 / 8. Juli 2025 / 20. Juli 2025
27. Juli 2025 / 28. Juli 2025 / 29. Juli 2025

Franz Xaver Kroetz, geboren 1946 in München, begann seine künstlerische Laufbahn als Schauspielschüler, wandte sich aber früh dem Schreiben zu. Erste Erfolge feierte er Anfang der 1970er-Jahre mit sozialkritischen Stücken wie Wildwechsel und Stallerhof, die ihn zum meistgespielten deutschsprachigen Gegenwartsdramatiker machten. Viele seiner Werke sorgten durch ihre direkte Sprache und Themenwahl für Skandale und Proteste. Parallel zu seiner schriftstellerischen Tätigkeit war Kroetz auch als Schauspieler aktiv, große Bekanntheit erlangte er 1986 mit der Rolle des Baby Schimmerlos in Kir Royal. Auch im neuen Jahrtausend blieb er präsent, zuletzt mit Arbeiten am Residenztheater München bis 2022.

Günther Maria Halmer wurde 1943 in Rosenheim geboren und absolvierte nach verschiedenen beruflichen Umwegen eine Schauspielausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Seinen Durchbruch feierte er 1974 als Karl „Tscharlie“ Häusler in Helmut Dietls Kultserie Münchner Geschichten, die ihn bundesweit bekannt machte. Im Laufe seiner Karriere wirkte er in über 180 Film- und Fernsehproduktionen mit, darunter internationale Filme wie Gandhi und Sophie’s Choice sowie die beliebte ZDF-Reihe Anwalt Abel. Halmer überzeugte mit seiner Vielseitigkeit in tragischen wie komödiantischen Rollen und wurde für sein Lebenswerk mehrfach ausgezeichnet.

Philipp Stölzl wurde 1967 in München geboren und ist ein vielseitiger Regisseur für Film, Oper und Musikvideos. Er begann seine Karriere als Bühnen- und Kostümbildner, bevor er mit Musikvideos für Künstler wie Rammstein und Madonna international bekannt wurde. Sein Kinodebüt gab er 2002 mit dem Film Baby, größere Bekanntheit erlangte er mit Nordwand, Der Medicus und Schachnovelle. Auch als Opernregisseur ist Stölzl erfolgreich und inszenierte Werke wie Parsifal, Der Freischütz und Rigoletto an renommierten Häusern. Seine Arbeiten zeichnen sich durch visuelle Opulenz und dramatische Dichte aus.

Florian von Manteuffel, geboren 1973 in München, arbeitete zunächst als Steinmetz und Bildhauer, bevor er von 1999 bis 2001 Schauspiel in München studierte. Seine Theaterkarriere führte ihn durch renommierte Häuser wie das Staatsschauspiel Stuttgart, das Schauspielhaus Wien und das Theater Basel. Seit der Spielzeit 2019/20 ist er Ensemblemitglied am Residenztheater München und stand dort in Stücken wie Moby Dick, Das Schloss und Warten auf Godot auf der Bühne. Im Film und Fernsehen übernahm er Rollen in Produktionen wie Tatort, Kannawoniwasein! und der Comedy-Serie Beckenrand Sheriff. Zudem ist er als Hörspielsprecher aktiv und wirkte bei verschiedenen bekannten Hörspielproduktionen mit.

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