Viele kennen Gedichte noch aus der Schule. Sie stammen von Wolfgang von Goethe oder Ernst Jandl. Inzwischen ist die Welt digital geworden und Gedichte scheinbar die Ausnahme. Das macht „Poetry to go“- also Poesie zum Mitnehmen- von Sabine Magnet so charmant. Sie schreibt auf ihrer roten Schreibmaschine Gedichte im Auftrag von und für Menschen auf Veranstaltungen, von zuhause aus oder auf der Straße.
Die besondere Gabe, Worte in Reime fassen, hat Sabine von ihrem Großvater geerbt, der in Kärnten Hochzeitslader war. Dieser Brauch war bei „ärmeren“ Leuten üblich, die sich keine schriftlichen Einladungen leisten konnten. Ein Hochzeitslader ging von Haus zu Haus und lud das Dorf ein und unterhielt es mit seinen Reimen. Diese Liebe zur Sprache hat er an Sabines Vater weitergegeben und dieser wiederum an seine Tochter. Denn seit sich Sabine erinnern kann, hat wurde in ihrer Familie gereimt.
Gedichte haben für Sabine, eigentlich ausgebildete Journalistin, etwas Erleichterndes. Sie helfen Leuten über Lebenskrisen hinweg, bringen sie in Liebe zusammen oder lassen die Menschen einfach lachen. Da Sabines Gedichte spontan entstehen und nach wenigen Minuten mitgenommen werden können, braucht sie für ihre Arbeit ein Gespür, das Wesentliche einer Person schnell zu erfassen und dies in Worte zu packen.
Dafür hat Sabine eine rote Remington Riviera Reiseschreibmaschine mit dabei. Anders als bei einem Laptop braucht sie hier keinen Drucker, um die Gedichte den Leuten zu übergeben. Und auch über Tippfehler sieht man hinweg, denn sie erzählen viel über die Entstehung der Gedichte. Ist ein Gedicht fertig, trägt Sabine es dem Auftraggeber, wenn möglich, laut vor. Das rührt die Zuhörer, denn sie hören oft zum ersten Mal ihre Gefühle ausgesprochen. Deshalb fragt Sabines Lebensgefährte sie oft im Scherz, wenn sie von einem Termin zurückkommt : “ Und wie viele Menschen hast Du heute wieder zum Weinen gebracht?“.
Wer nicht auf das nächste „Poetry to Go“ Event warten möchte, der kann auch bei Sabine seine Gedichte auch via Social Media, Email oder Website bestellten.
Neben Ihrer Tätigkeit als Auftragspoetin hat Sabine Magnet ihren eigenen Verlag, in dem sie neben Fanzines, auch Bücher mit ihren Gedichten und anderen Texten herausbringt. In Kürze wird sie dort ein Kinderbuch auf Englisch veröffentlichen, das in Zusammenarbeit mit einer Künstlerin aus London entstanden ist.
Seit einiger Zeit ist die Poetin auch immer wieder in Ausstellungen vertreten, wie zum Beispiel Ende 2021 beim Projekt Now you See me, Now you don’t in der Orangerie im Englischer Garten oder bei der Ausstellung „feminin – die soziale und politische Kraft des Weiblichen in Kunst und Gesellschaft“, die im Oktober 2021 in der Pinakothek der Moderne stattfand.
Sabine Magnet ist neben München auch immer wieder in London. Dort schreibt sie auf Englisch mit Kollegen an den der Southbank, einem langem Uferstück der Themse. Das ist neben New Orleans eines der Zentren für „Street Poetry“. In England erzählt mir Sabine, ist das Verhältnis zu Poesie anders als in Deutschland. Eher alltagstauglich, weniger elitär. Und es gibt viel mehr Möglichkeiten, das Dichten zu erlernen und sich darin auszuprobieren. Mit der englischen Sprache ist sie durch Bücher, Filme etc vertraut, dennoch ist es eine Herausforderung für sie, auf der Straße unter Zeitdruck zu schreiben. Entspannter ist da die Arbeit an ihrem Kinderbuchprojekt auf Englisch.
Auf die Idee ,auf der Straße zu reimen, kam Sabine übrigens, als sie ein Foto von einem Mädchen sah, das auf einem Markt in Italien an einem Tisch saß und Gedichte für die BesucherInnen schrieb. Ein paar Jahre später wurde sie dann von einer Freundin gefragt, ob sie nicht zum Kulturprogramm ihres Popup-Stores 2017 im Ruffinihaus etwas beitragen wolle…
Seitdem ist Sabine Magnet viel unterwegs. Die aktuellen Termine erfahrt Ihr auf der Poetry to go Webseite. Ihr findet sie in München zum Beispiel auf Festivals, wie in das der Monacensia oder beim „Kunst im Quadrat“. Regelmäßig zu Gast ist die Straßenpoetin in der Alten Utting und im Gans Woanders, immer im Gepäck – neben der Schreibmaschine – ein Stein aus der Isar.
Wir sind froh, dass es nun in München neben Poetry Slam und Open Mic mit „Poetry to Go“ eine weitere Form gibt, den Leuten Worte und Sprache näher zu bringen und vielleicht sich ein Stück weit selbst zu erfahren.